Österreich muss endlich in die Offensive gehen

Die schwächelnde Wirtschaft des Landes bräuchte
einen großen Wurf. Helfen könnte ein hochdotierter Österreich-Fonds.

Gastkommentar von Josef Redl veröffentlicht in Die Presse am 5. August 2025.

Es gibt schon lange keinen Zweifel mehr daran: Österreich schwächelt, sowohl was harte Fakten anbetrifft als auch stimmungsmäßig; schwächelt nicht bloß konjunkturell, sondern strukturell. Österreich ist abgeschlagen im europäischen Wachstumsvergleich, auch wenn es heuer im dritten schwachen Jahr vielleicht keine Rezession, sondern nur noch eine Stagnation gibt.
Können wir uns da, auch noch konfrontiert mit steigender Arbeitslosigkeit, wieder erhöhter Inflation und budgetärer Fesselung – zurücklehnen? Alles andere als das! Aber die Regierung tritt ohnehin fest in die Pedale. Weil sie erstens weiß, dass die großen Reformen – Pensionen, Gesundheit und Pflege, Bildungspolitik, Förderungspolitik, Bürokratieabbau und wie sie alle heißen – endlich angegangen werden müssen. Und weil die Wirtschaft mitten in einem Transformationsprozess ohnegleichen steht.
Klimawandel, Energiewende, Digitalisierung und KI sowie z. B. die Neuorientierung der europäischen Mobilitätsindustrie lassen grüßen. „More of the same“ hieße, in der Sackgasse, in der wir stehen, stecken zu bleiben.

Entschlossenes Anpacken

Gefragt ist nun entschlossenes und beherztes Anpacken, damit wir unsere Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen und Österreich im internationalen Konzert neu positionieren können. Mit einem Transformationsfonds zur Reduktion der Treibhausgasemissionen in der Industrie in der Höhe von drei Milliarden Euro wurden schon von der Vorgängerregierung Akzente gesetzt. Reichen wird das allerdings nicht, um wieder besser abschneiden zu können.
Seitens der Sozialdemokratie wurde im letzten Wahlkampf daher angedacht, alle bestehenden Initiativen in einem Fonds für die ökosoziale Transformation in der Höhe von 20 Milliarden Euro zu bündeln. Die Regierungsmitglieder Hattmannsdorfer, Hanke und Schellhorn sind derzeit unter Einbindung der Sozialpartner dabei, bis Ende 2025 eine neue Industriestrategie zu entwickeln.
Was unabhängig davon notwendig ist, um die österreichische Wirtschaft wieder auf Vordermann zu bringen, ist zweierlei:
Erstens die Abwärtsentwicklung nach den großen Krisen der vergangenen Jahre konsequent zu stoppen – der erste Schritt scheint mit dem beschlossenen Doppelbudget einigermaßen zu gelingen. Zweitens ist mit Entschlossenheit das Herkulesprojekt anzugehen, Österreich unter den neuen technologischen, klima- und geopolitischen Rahmenbedingungen neu aufzustellen.
Ganz wichtig dabei ist, die Bevölkerung auf überzeugende Weise so mitzunehmen, dass verloren gegangenes Vertrauen zurückkehrt und der Glaube wächst, dass ein solcher Kraftakt auch zu schaffen ist. Was nach Pandemie, Ukraine-Krieg, Energiekrise und Inflation auch so etwas wie Balsam für die durchgerüttelte österreichische Seele sein könnte.
Das Gelingen eines solchen großen Wurfs setzt Etliches voraus. Genau das sollte aber auch der Ansporn sein, ihn mit großer Tatkraft anzugehen. Wichtige Erfolgsvoraussetzungen könnten dafür z.B. die folgenden sein: Erstens braucht es eine klare Verpflichtung der Regierungsparteien zu einer stringenten, gemeinsamen, innovativen, technologieorientierten, wettbewerbsfördernden und geopolitisch ausgerichteten Wirtschaftspolitik. Gleichzeitig braucht es eine ökologische, nachhaltige, ganzheitliche, soziale und inklusive Wirtschaftspolitik. Denn Wirtschaft sind wir bekanntlich alle! Eine Politik also, die die notwendige Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit auf intelligente Weise mit dem verknüpft, was klimapolitisch zu tun ist und von den Menschen als grosso modo sozial ausgewogen empfunden wird.

Auf dem Klimapfad bleiben

Daher dürften Wirtschaft und Klimapolitik nicht weiter gegeneinander ausgespielt werden, wie es leider immer häufiger passiert.
Wer immer den eingeschlagenen Klimapfad mutwillig wieder verlassen will und dabei auf „Klimapolitik mit Hausverstand“ pocht, riskiert auf fahrlässige Weise eine weitere Bedrohung unserer Lebensgrundlagen. Nachzulesen im kürzlich erschienenen zweiten umfassenden Sachstandsbericht zum Klimawandel in Österreich. Wohlstand, Wohlbefinden und sozialer Ausgleich dürfen keine Gegensätze sein!
Zweitens bedarf es eines wirksamen Instruments für die „Runderneuerung“ Österreichs. Zum Beispiel in Form eines hoch dotierten Fonds – nennen wir ihn Österreich-Fonds. Der sollte das Ziel haben, die österreichische Wirtschaft in Form von Finanzierungen, Garantien, Förderungen und Beteiligungen wieder auf ein wettbewerbsfähiges Top-Niveau zu bringen.
Ein solcher Fonds könnte etwa im Rahmen der Öbag eingerichtet werden, schon bestehende Einrichtungen mit ähnlichen Zielen einbeziehen und in jene Bereiche investieren, die eingangs erwähnt wurden.

Richtig kanalisiertes Geld

Drittens muss die Finanzierung dafür aufgestellt werden – kein einfaches Unterfangen in einer prekären Finanzsituation. Doch wenn das Bundesbudget dafür ausfällt, dann müssen eben die Bürgerinnen und Bürger – egal, ob Wirtschaftsbosse wie in Deutschland, andere Investoren, die Finanzwirtschaft, Klein- und Mittelbetriebe, Vermögende, letztlich alle arbeitenden Menschen – selbst einspringen und Verantwortung für ihr Land übernehmen!
Der besondere Charme für die Unselbstständigen läge übrigens darin, dass sie sich indirekt ihre Arbeitsplätze und Pensionen selbst sichern würden, legten sie ihr Geld bewusst in einem Österreich-Fonds an. Dafür müsste freilich die Sozialdemokratie ihre Einstellung zum Kapitalmarkt in einem längst überfälligen Schritt ändern.
Pointiert formuliert: Ist es nicht besser, mit mehr Finanzbildung klüger zu investieren als an mit Realzinsverlusten verbundenen Gewohnheiten festzukleben? Resümee: Geld für einen Österreich-Fonds dürfte im reichen Land Österreich genug vorhanden sein, es muss nur richtig kanalisiert werden. Viertens sollten ausnahmslos alle Österreicherinnen und Österreicher, die ihr Land wieder vorwärtsbringen wollen, aufgerufen werden, Teil des Österreich-Fonds zu werden. Und zwar im Rahmen einer emotionalen, an Nationalbewusstsein und Heimatliebe appellierenden Kommunikationsstrategie – ähnlich jener damals beim EU-Beitritt Österreichs.

Investieren im eigenen Land

Notwendig wäre eine Kampagne mit der Aufforderung, Geld in das Land zu investieren, mit dem man sich identifiziert, und nicht in amerikanische Tech-Giganten. Denn es ist, wenn man an die mögliche Schubkraft eines Österreich-Fonds denkt, nicht egal, wo man sein Geld anlegt! Je mehr Geld in einem solchen Fonds, desto mehr kann damit bewirkt werden.
Fazit: Österreich hätte gute Chancen, das strukturelle wirtschaftliche Tief, das zuletzt auch das IHS in einer Prognose bis 2029 bestätigt hat, aus eigener Kraft wieder abzuschütteln und sich ähnlich weiterzuentwickeln, wie es bereits nach dem Zweiten Weltkrieg mithilfe des Marshall-Plans eindrucksvoll gelungen ist. Österreich kann, wenn es nur will!


Der Autor des Gastkommentars, Josef Redl (*1945), ist Betriebswirt und war in verschiedenen Funktionen im Bank- und Versicherungsbereich tätig. Er war mehrere Jahre in Führungspositionen beim Finanz-Marketing-Verband Österreich.


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