Im Interview: Günther Sidl

Menschen müssen endlich spüren, was wir an der EU haben

Der Wahltermin für die EU -Wahl am 9. Juni schrammt knapp an einem historischen Datum für Österreich vorbei. Am 12. Juni vor 30 Jahren fand die Volksabstimmung über den EU-Beitritt statt. Warum sich seither keine echte Begeisterung für unser gemeinsames Europa entwickelt hat, fragen wir unseren niederösterreichischen EU-Abgeordneten Günther Sidl. Im Interview erklärt er, wo die EU umdenken muss und warum er für eine Re-Industrialisierung ohne rauchende Schlote eintritt!

 

Günther, du bist seit 2019 Abgeordneter zum EU-Parlament und kennst auch die Innenseite des Brüsseler Politikbetriebs. Warum gibt es noch immer so viel Skepsis gegenüber der EU?

Weil die EU das geblieben ist, als das sie gegründet wurde. Die EU ist eine Wirtschaftsunion und hat es bis heute nicht geschafft, sich von dieser Rolle zu emanzipieren. Dabei kennen wir alle die Herausforderungen, die in den letzten 30 Jahren dazugekommen sind. Angefangen beim Lohn- und Sozialdumping bis hin zur sehr unterschiedlichen Konzernbesteuerung in den einzelnen Mitgliedsstaaten. Das alles zeigt, dass der EU ein soziales Fundament fehlt. Aber genau das brauchen wir. Die Menschen müssen endlich spüren, was sie am gemeinsamen Europa haben. Und dazu muss die EU endlich über sich hinauswachsen und auch zu einer Sozialunion werden.

Hat die EU Angst vor der eigenen Courage?

Wenn es nur das wäre, wäre das Problem leichter zu lösen. In Wahrheit stecken hinter alledem immer knallharte Konzerninteressen – und die haben in der EU derzeit immer noch Vorrang vor den Bedürfnissen der Menschen. Das sieht man am Energiemarkt, wo die Konzerne unglaubliche Gewinne gemacht haben, während die Menschen nicht mehr gewusst haben, ob sie es sich noch leisten können die Heizung aufzudrehen. Und das sieht man leider an zu vielen weiteren Beispielen, wo die EU-Kommission noch immer blind an den Markt glaubt.

Wie soll es mit der EU nach dem 9. Juni weitergehen?

Es muss endlich allen klar werden, dass die neoliberalen Wirtschafts- und Sparfantasien ein Sicherheitsrisiko für unser gemeinsames Europa sind. Wir haben gesehen, dass jene Staaten, die ihre Gesundheitssysteme nicht kaputtgespart oder sogar privatisiert haben besser durch die Pandemie gekommen sind. Und wir haben gesehen, dass die Staaten, die in die Energiepreise eingegriffen haben, jetzt weniger Probleme durch die Inflation haben. Daraus müssen wir etwas lernen und wieder anfangen in unsere Versorgungssicherheit zu investieren.

 

 


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